Update:
Im
Jahre 1988 erhielt ich von meiner Stiefgroßmutter Elisabeth (Schaefler/Bartlau),
geb. Höffken (die Mutter von Elisabeth war eine geb. Linzen), einen großen, dicken Umschlag mit den Worten:
„Bei
Dir ist das besser aufgehoben“ !
Ich
hatte keine Ahnung, welchen „Schatz“ ich in diesem Moment in den Händen
hielt.
Zuhause
angekommen öffnete ich den Umschlag und fand fünfundzwanzig handschriftliche
Aufzeichnungen und Briefe aus den Jahren 1857 bis 1869 von einem Fritz W. Linzen.
Es machte erst sehr große Mühen, nur wenige Worte und Sätze zu lesen, da die
Handschrift aus dem vorvorherigen Jahrhundert noch nicht die Vereinheitlichung
von Sütterlin erfahren hatte.
Sütterlins
„deutsche Schrift“ habe ich noch in der Schule lesen und schreiben gelernt;
damals fand ich es furchtbar, damit gequält zu werden.
Nun
bin ich froh, daß ich diese Qualifikation habe und mit großer Hilfe von Beate Eichwald,
Inge Mattiat, Andrea Wurnitsch und Lisa Tripler wurden die alten Dokumente in eine heute
lesbare Form transskribiert.
Die
Zeitdokumente schildern die Geschichte meines Urgroßonkels, der als fertig
ausgebildeter Musiker, Pianist war er wohl, mit dem Segelschiff "Wursata"
im Mai/Juni 1857 in die „Neue Welt“ von Bremerhafen im Alter von 26 Jahren
nach New-York aufbrach und 12 Jahre lang in Amerika sein berufliches Glück
suchte.
Seine
erste Station in der „Neuen Welt“ war im Juli 1857 die Stadt „Peoria“(Illinois),
wo er direkt nach der Ankunft Arbeit suchte und nach 14 Tagen unter dem neu
erlernten Motto „Something must be done“ als Gehilfe in einer „Gasfitterei“
seine amerikanische „Karriere“ begann. Dieser Job in einem Sanitärinstallationsgeschäft
war nur von kurzer Dauer.
Denn
nach 4 Wochen schon konnte er als reisender Pianist und Sänger in den
umliegenden Großstädten sein Können darbieten; finanziell eher ein Mißerfolg.
Ein weiteres Engagement als Pianist und Musical-Director für den Staat Illinois
während einer großen Landwirtschafts- und Kunstausstellung folgte. Hiernach
kehrte er nach Peoria zurück und begann einen Job als „Commis und Buchhalter
in dem ersten Cigaretten- und Tabakgeschäft Peoria’s“. Amerika befand sich
nach Schilderung von Fritz W. Linzen in wirtschaftlich und politisch
schweren Zeiten, so daß er immer nur für kurze Zeit zum eigenen Leidwesen eine
Anstellung in unterschiedlichsten Berufszweigen fand.
Fritz
W. Linzen schreibt am Ende seiner „Reise von Unna nach Peoria“:
„Zum
Schlusse rathe ich einem Jeden, der hierher auswandern will, sich erstens mit
gar keinen Hoffnungen und Plänen, die in dem neuen Lande verwirklicht werden
sollen, abzugeben, 2tens nicht in einer der größeren Städte als New York, New
Orleans pp. zu bleiben, und 3tens im Anfange alles aufzugreifen, was sich ihm
bietet, damit er in das Leben & die Verhältnisse eingeweiht wird.„
Sein
eigener dritter Ratschlag führte
den Musiker Fritz W. Linzen zunächst 1860 als Musiklehrer nach Lexington und
anschließend als aktiv kämpfender Freiwilliger 1862 in die „Armee der
armerikanischen Nordstaaten“. Hier erlebte er die unvorstellbaren Greuel des
„Amerikanischen Bürgerkrieges“,
die er in Briefen an seine Eltern, aber auch als Kriegsberichterstatter unter
anderem für die „Kölnische Zeitung“ schilderte. Ab 1862 wechseln die
Absenderorte wie Camp „Frye“ (Febr. 1862), Lager „Negley“ Tennessee (Mai
1862), Louisville, Kenntucky (Sept. 1862), Lager im Cumberland Gebirge (Okt.
1862), Nashville Tennessee (Jan. 1863), Saint Louis, Missouri (Mai 1864).
Nach dem Mai 1864 finden sich keine Briefe mehr. In einem sehr ausführlichen Reisebericht aus dem Jahr 1869 schildert Fritz W. Linzen seine "Luxus- und Schlemmer-" Reise von Marseille nach Batavia. Die erste Etappe führt an Board von "Steamer Said" von Marseille nach Alexandria. Er besucht die Baustelle des Suezkanals. Dann reist er von Suez weiter wieder mit einem Schiff, der "Imperatrice", in Richtung Südostasien über Aden, "Pointe di Galle" (Ceylon[Sri Lanka]), Singaphore nach Batavia, dem heutigen Jarkarta. Anschließend findet sich noch ein weiterer Bericht über seine Reisen im Gebiet der Hauptinsel Java [heute Teil von Indonesien], wo er z.B. Freunde in Soerabaya, auf Madura und in Samarang aufsucht. Seinen Schilderungen fehlen Hinweise, ob er sich dort als Tourist aufhielt oder auch gearbeitet hat.
Da nach seinem Aufenthalt auf Java keine Briefe mehr vorhanden sind, läßt dies zwei gewagte Schlußfolgerungen zu:
Entweder
verstarb er auf Java recht bald oder aber er kehrte nach Unna zurück und
beteiligte sich möglicherweise beim Aufbau der Eisen- und Stahlindustrie seiner
Familie und Verwandschaft im östlichen Ruhrgebiet in der Gegend
von Unna, Schwerte, Hamm und Hagen.
Mein
UrUrgroßvater „Clemens Linzen“, Bruder von Fritz W. Linzen, war Mitbesitzer
und Direktor verschiedener Stahlwerke, welche Betriebe bis nach Rußland hinein
unterhielten.
Eine
genealogische Abhandlung im Bereich der Universität Münster soll sich mit der
Familie Linzen ausgiebig auseinandergesetzt haben. Eine entsprechende Arbeit sei
dort vorhanden, die ich leider noch nicht kenne. Ich bin gespannt, was da noch
wartet !
Nun
wünsche ich viel Vergnügen beim Lesen der Texte meines Vorfahrens!
Christoph
Schaefler
Köln,
im Jahre 2005